Zwischen Detektiveinsatz und Datenschutz – Anspruch auf Offenlegung eines Detektivberichts nach geheimer Observation durch die Versicherung?
Beauftragt eine Versicherung im Rahmen der Anspruchsprüfung ein Detektivbüro mit der Observation des Anspruchsstellers und werden dabei personenbezogene Daten erfasst, kann Betroffenen im Einzelfall ein Auskunftsrecht zu den gesammelten personenbezogenen Daten zustehen. So lässt sich ein Urteil zusammenfassen, welches der auf das Datenschutzrecht spezialisierte 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg gefasst hat.
Dem Detektiveinsatz war ein Verkehrsunfall vorausgegangen, bei welchem der Kläger verletzt worden war. Wegen seiner Verletzungen machte der Kläger Ansprüche bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend. Die Versicherung hatte den Verdacht, dass die unfallbedingten Einschränkungen des Klägers tatsächlich geringer waren als angegeben und ging davon aus, dass der Kläger unberechtigte Ansprüche geltend mache. Die daraufhin von der Versicherung beauftragte Detektei observierte den Kläger über mehrere Wochen und fasste ihre Erkenntnisse über die gesundheitlichen Alltagseinschränkungen des Klägers für die Versicherung in einem Ermittlungsbericht zusammen.
Der Kläger aus dem Landkreis Osnabrück erhob Klage gegen den Haftpflichtversicherer vor dem Landgericht Osnabrück. Die Klage war unter anderem auf Auskunft zu den von der Versicherung verarbeiteten personenbezogenen Daten sowie auf Herausgabe einer Kopie der Informationen gerichtet, welche die von der Versicherung beauftragte Detektei vom Kläger gesammelt hatte.
Die Versicherung hatte die Auskunft lediglich teilweise erteilt und sich im Übrigen auf ein datenschutzrechtliches Geheimhaltungsinteresse berufen. Zur Begründung führte die Versicherung an, die medizinischen Befunde begründeten Zweifel an der Tragweite der behaupteten Unfallfolgen. Die Versicherung sah die Gefahr, dass der Kläger die Informationen aus den Ermittlungsberichten in einem späteren Rechtsstreit zum Umfang der Versicherungsleistungen dazu nutzen könnte, den eigenen Vortrag an die Erkenntnisse aus dem Bericht anzupassen. Sie berief sich darauf, dass sie sich im Interesse effektiver Verteidigung durch Zurückhaltung von Informationen gegen ein solches Vorgehen schützen müsse.
Beide Instanzen, also das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Detektiveinsatzes bestätigt.
Das Landgericht hatte der Versicherung noch ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse zuerkannt und die Klagen abgewiesen. Nach dem Urteil des Landgerichts habe der Versicherer ein legitimes Interesse daran, seine Einstandspflicht festzustellen und unberechtigte Ansprüche durch einen Wissensvorsprung abzuwehren.
Die vom Kläger eingelegte Berufung hatte Erfolg.
Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte zwar das legitime Interesse des Versicherers und die Einschaltung der Detektei als in Ordnung, verurteilte die Versicherung aber zur Auskunft über die personenbezogenen Daten des Klägers und zur Herausgabe einer Kopie des Observationsberichts der Detektei. Der Senat stellte fest, dass dem Kläger ein Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung (Art. 15 DSVGO) zustehe, da vom Kläger personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet worden seien. Betroffenen stünde in solchen Fällen ein generell schutzwürdiges Interesse an der Auskunft zu. Denn das Auskunftsrecht verfolgte gerade den Zweck, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich könne der Auskunftsanspruch zwar durch Rechte anderer Personen eingeschränkt sein. Ein solches Gegenrecht habe die Versicherung in diesem Fall aber nicht darlegen können.
Bei den personenbezogenen Daten des Klägers handele es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse im Rechtssinne. Auch sonst bestehe kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse, da die Versicherung die Erkenntnisse aus den Ermittlungsberichten bei späteren Rechtsstreitigkeiten ohnehin offenlegen und dem Kläger eine Reaktion hierauf ermöglichen müsse. Auch dass der Kläger die Informationen später in einem Rechtsstreit gegen die Versicherung verwenden würde, sei nicht zwingend. Es sei nach dem Senat ebenso denkbar, dass sich der Kläger nach Offenlegung des Ermittlungsergebnisses – je nach Inhalt der Berichte – sogar dazu entscheide, von einer Inanspruchnahme der Versicherung abzusehen, um sich nicht eines Versicherungsbetruges schuldig zu machen.
Urteil vom 9. April 2024 Az. 13 U 48/23
Über die Autorin: Frances R. Lentz
Frances R. Lentz, Jahrgang 1989, ist seit 2010 in der Detektei Lentz GmbH & Co. Detektive KG tätig. Sie absolvierte nach ihrem Abitur und einem juristischen Studium eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement und anschließend die zweijährige Ausbildung zur ZAD geprüften Privatermittlerin (IHK). Frau Lentz verfügt über langjährige Observationserfahrung im In- und Ausland und ist zudem ausgebildete Mediatorin (Univ.).
In ihrer Freizeit kocht und backt die Mutter eines Sohnes leidenschaftlich gerne, fährt Motorrad und liebt Wellness und lange Spaziergänge mit ihrem Hund.
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